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14. September 2014 7 14 /09 /September /2014 12:36

Interview: Sophie, Christopher und Adrian über "Zeit für die Liebe"  

 

AH: Wie geht es euch?


Christopher: Gut, und dir?


AH:Erleichtert. Ich bin froh, dass die Geschichte abgeschlossen ist.

 

Sophie: Ist sie das? Für dich ist es nur eine Geschichte. Für uns ist es mehr. Realität.


(Adrian nickt)


AH: Adrian, es ist schön, dich bei bester Gesundheit zu sehen.


Adrian: Mhm- Hm. Es ist ja etwas beunruhigend zu wissen, wenn man als einzige Figur den Tod findet, in dem Roman.


Sophie: Liebling, das ist doch nur wegen der Dramaturgie. Stimmt´s?


AH: Genau.


(Adrian blickt nervös im Raum herum, seine blauen Augen bleiben auf Sophie haften, bis sie seinen Blick mit einem warmherzigen Lächeln erwidert)


AH: Wie geht es Norah Lane?


Christopher: Wem?


Sophie: Ich möchte nicht über sie reden. Ihre Privatsphäre soll geschützt werden.


AH: Aber wäre es nicht interessant zu wissen, wie es bei ihr und deinem Sohn weitergeht?


Christopher: Wie bitte?


AH: Okay, lassen wir das.


Adrian: Wie geht es bei dir weiter, Anna?


AH: Was meinst du? Übrigens, deine Augen sind wirklich sehr stechend blau. Fast unheimlich.


(Adrian fixiert die Autorin, diese hält dem Blick nicht stand und sieht ihre Fingernägel an, Sophie grinst)


AH: Habt ihr „Zeit für die Liebe“ gelesen?


(Adrian und Christopher nicken)


Sophie: Bis zur Hälfte.


AH: Und? Wie hat es euch gefallen?


Christopher: Roman-tisch.


(Sophie verdreht die Augen)


Adrian: Da stehen schon sehr viele private Dinge in der Geschichte.


Sophie: Gibt es jemand besonderen in deinem Leben?


(Die Autorin sieht auf ihren Notizblock, bis sie merkt, dass die Frage an sie gerichtet ist)


Christopher: Natürlich, Lieb-ling, sieh sie dir an. Sieh dir ihre Augen an. Die strahlen nicht von selbst so.


Sophie: Ah, ja. Das Strahlen, damit kenne ich mich aus.

 

(Adrian legt ihr eine Hand auf s Knie)


Christopher: Ich habe gehört, dass du ein Cornwall Fan bist. Wie es der Zufall so will, habe ich ein Haus dort. Wir könnten ja, für ein Wochenende….


(Die Autorin fühlt sich unwohl und rutscht auf ihrem Stuhl ein Stückchen weiter weg)


Sophie: Deine Playlist auf Facebook ist übrigens sehr peinlich.


AH: Wie bitte?


Sophie: Ihr Jungen habt überhaupt keinen Musikgeschmack mehr. Alles durcheinander.

(Adrian lacht, sehr melodisch)


AH: Das mag schon sein, aber es geht ja jetzt nicht um mich.


Christopher: Warum eigentlich nicht? Diese großen, braunen Augen haben sicher mehr zu erzählen. Was wissen wir denn über dich?


AH: Ihr wisst genug. Wir haben viele, sehr intensive Monate rund um die Uhr miteinander verbracht.


Christopher: Sei nicht so schüchtern,  vielleicht schreiben wir auch eine Geschichte über dich und veröffentlichen ebenfalls ein Ebook mit dem Titel „Die großen, braunen Augen von Anna Herzig“


(Die Autorin hebt skeptisch die linke Augenbraue)


AH: Macht ruhig, aber ich habe keine Skrupel euch in eine unschöne Fortsetzung reinzuschreiben.


Sophie: Ach, das ist uns egal, wir bleiben immer bei dir.


(Sophie, Christopher und Adrian stehen auf und verschränken die Arme.)


AH: Das ist richtig.


(Die Autorin sieht zu ihnen hinauf)


AH: Jeden Tag, für mindestens fünfzehn Minuten.

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6. September 2014 6 06 /09 /September /2014 10:40

SIE

 

14. Januar 2013, 2:15h, Montag

Er besaß die Fähigkeit, mit einem einzigen, unsichtbaren Flügelschlag Raum und Zeit zum Erliegen zu bringen. Er war der Meister der Gedanken. Meiner Gedanken. Und deshalb wollte ich ihn.


15. Januar 2013, 17:39h, Dienstag 


Die zufälligen Begegnungen tragen die schicksalhaftesten Momente in sich. Und als ich sie zum ersten Mal sah, diese stechenden, blauen Augen, war es mein Verstand, der sich geweigert hatte, in jeder Sekunde danach erneut auf rationalem, nüchternen Boden Fuß zu fassen. Für sehr lange Zeit.


20. Januar 2013, 08:13h, Sonntag


Er gab mir Mut. Immer genug Mut und Angst, höre ich ihn in meinen Gedanken flüstern. Die Grenzen begannen zu verschwimmen, das Atmen wurde schwieriger, der Alltag nicht mehr ganz so erträglich. Die Gedanken unmöglich zu verdrängen. Das Kratzen lauter. Der Schmerz größer.


22. Januar 2013, 20:45, Dienstag


Es ist schwer, jemanden zu hassen, der einem vor dem Ertrinken gerettet hat.
Und Gefühle zu leugnen, die solange ohne Einhalt wachsen durften. Nicht selten wünsche ich mir in diesen Phasen der Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit eine kurze und schmerzlose Entfernung jener Gehirnregionen, die für das Erinnerungsvermögen zuständig sind.

Was mache ich denn jetzt nur?


04. Februar 2013, 04:50, Montag


Es ist sehr still, in den Räumen, in denen ich umherwandere. Der Duft und das vereinzelte Tröpfeln des Kaffees in die Kaffeekanne beruhigt mich auf seltsame Weise. Ich stehe gerne kurz vor dem Morgengrauen auf, trinke meinen Kaffee und warte vor dem Fenster auf den Sonnenaufgang. Du kannst jeden Tag neu anfangen und alles hinter dir lassen, genau wie ich, scheint er mir sagen zu wollen. Wozu brauchst du diesen einen Menschen, den du so sehr willst obwohl er dich mit solchem Nachdruck nicht auf die gleiche Weise begehrt?


05. Februar 2013, 01:00h, Dienstag


Warum war das Warten genüsslicher als das Aufeinander treffen? Das Hoffen süßer, als die Realität? Es war die Vorstellung von zwei leicht geöffneten Lippenpaaren, sich einander sanft nähernd, die meinen Verstand auf Hochtouren arbeiten ließen. Im Warten war ich gut. Es war eine Disziplin, die ich bis zur Perfektion betrieb. Ich konnte mich bereits im November nach den lauwarmen Mai – Nächten verzehren, Nächte die danach rochen, als ob alles möglich wäre, alles passieren konnte. Manchmal war dem so. Und manchmal passierte gar nichts.


09. Februar 2013, 13:29h, Samstag


Neulich habe ich jemanden kennengelernt. Dem es gelang, meinen verkrampften Verstand ein wenig zu lockern. Er ist nicht im klassischen Sinne attraktiv. Aber er bringt mich zum Lachen.
Und ich beginne mich wohlzufühlen.

 

13. Februar 2013, 02:30h, Mittwoch

Allmählich beginnt er mich zu interessieren, denke ich während ich ein Glas Gin in der Hand halte und mich gegen die Schlafzimmerwand lehne. Mein Nachbar. Der nicht nur bedeutend älter ist als ich sondern auch zwei Kinder hat. Sie wohnen nicht bei ihm, soviel habe ich bereits herausgefunden. Oder besser gesagt, sie belagern ihn nur jedes zweite Wochenende. Nichts scheint ihn aus der Ruhe zu bringen, wenn die Kleinen auf ihn zustürmen und unendlich große Mengen an Wortwirbelstürmen, Wünschen und Forderungen auf ihn einhageln.

Ich will, kann ich, wieso muss ich bitte sagen, und kann ich nicht doch, weil ich hätte so gerne, bitte kauf mir, alle anderen haben auch, sie ist gemein, er ist gemein, wir wollen ins Kino, gibst du mir mehr Taschengeld, ich möchte aber nicht teilen, ich bin müde und hungrig und überhaupt.

Er fertigt gekonnt ein Kind nach dem anderen ab, sie fügen sich und es gelingt ihm jedes Mal aufs Neue sie zu bändigen. Ein Mal habe ich ihn kurz mit seinen Kindern gesehen. Im Park. Ich wollte nur vorbeihuschen, aber er hat mich gesehen und sich zu mir umgedreht. Seine Augen, die mich mit einem einzigen Blick bis auf die Seele ausgezogen haben. Ich wollte dass er mich berührt. Überall.

Und noch mehr als das, wollte ich ihm dabei in die Augen sehen.


17. Februar 2013, 09:34h, Sonntag 


Ich entleere lustlos meinen Briefkasten, schleppe mich zu meiner Wohnung, grüße die alte Frau, die im selben Stockwerk wohnt mit einem kurzen Nicken und lege mich wenige Minuten später bäuchlings auf mein Sofa um Rechnungen und Reklame auszusortieren. Meinen Verstand mit so etwas trivialem wie Rechnungen, Sonderangeboten und einer Werbung für Pizzalieferdienste vergiften zu müssen, belästigt mich sehr und ich verfluche meinen seit Wochen mehr als ausgehungerten Kontostand, der es mir momentan nicht erlaubt, mir ein bisschen Freiheit zu erkaufen.

Während ich mir nach dem Duschen die erste von vielen weiteren Zigaretten anzünde, ruft der Mann mit den blauen Augen an und die Frau mit den braunen Augen ist nicht im mindesten daran interessiert, von Versprechungen und Plänen zu hören, die in der Sekunde vergessen sind, in der sie ausgesprochen wurden.

Und an diesem kalten, sonnigen Tag erscheint mir das Lackieren meiner Zehennägel weitaus wichtiger, als Rechnungen zu bezahlen.


18. Februar 2013, 00:46h, Montag


Die Vergangenheit ruft erneut an.
Ich bin resistent. Gegen seine Augen. Und den Mund. Das Grinsen.
Das habe ich mir versprochen.


23. Februar 2013, 11:34h, Samstag


Es ist vorbei. Ich werde ihn ignorieren.


23. Februar 2013, 23:10h, Samstag
Verdammt.

 

ER

 

09. Januar 2013, 09:45h, Mittwoch

Mein Therapeut hat mir nahegelegt, Tagebuch zu schreiben. Jeden Tag. Um zu sehen, ob ich ehrlich sein kann. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit zurecht kommen werde, zumal es mir als reinste Zeitverschwendung erscheint. Es wird nicht das Geringste bringen. Ich hasse ineffiziente Dinge.


09. Januar 2013, 23:35h, Mittwoch


Obwohl. Es doch einen gewissen Reiz hat, etwas zu haben, von dem niemand weiß und das nur mir gehört. Im Gegensatz zu meinem Geld. Das mir von diesem hinterhältigen Biest, meiner Exfrau, bei jeder Gelegenheit aus der Tasche gezogen wird. Nur Alimente reichen nicht, meint sie. Wozu brauchen die Kinder denn einen fünf Sterne Romantikurlaub mit Weinbegleitung am Land?, meine ich, nachdem ich ihr die Kreditkartenabrechnung ins Gesicht gehalten habe. Das geht dich nichts an, weht es mir mit einer Eiseskälte entgegen.
Schlaf wenigstens mit mir, wenn du mehr nimmst, als dir zusteht, dann habe ich auch etwas davon.

Sie knallt mir eine.


14. Januar 2013, 18:16h, Montag

Nachdem ich die Türe hinter mir geschlossen habe, lehne ich mich dagegen, als könne ich hier auf meiner eigenen privaten Insel alles andere, störende, unangenehme ausblenden und atme einmal tief ein und aus. Nachdem mir mein Kopf heute kaum noch Linderung in Aussicht stellt, gegen die Vergewaltigungen gedanklicher Art hinsichtlich Existenz und eigener Sterblichkeit, lasse ich mich auf die Couch sinken, lege mich auf den Rücken, lockere die Krawatte und zünde mir eine vorbereitete Notfallzigarette an. Meine Gedanken werden gedämpft, langsamer, zerstreuen sich und nach einer Viertelstunde entspannt sich mein Körper und ich fühle gar nichts.

Ich denke nicht, dass ein Unterschied darin bestand, einen geliebten Menschen oder eine alte Liebe beerdigen zu müssen.


21. Januar 2013, 20:00h, Montag 


Ich klopfe, zum dritten Mal. Und bin am Verzweifeln. Das man tatsächlich in die Verlegenheit kommen würde, Nachbarn zu belästigen, um sich einen Schluck Milch zu erbetteln, erschien mir mehr als banal. Als ich gerade umdrehen und somit unverrichteter Dinge wieder in meine Wohnung zurückziehen will, höre ich Schritte. Langsam und vorsichtig knarrt der Boden hinter der Türe. Sie öffnet sich und ich sehe zwei gerötete, verquollene Augen. Um ehrlich zu sein, hatte ich eher mit einem Bierbauch, einem weißem Unterhemd und einer Goldkette gerechnet.
Aber nicht mit.

Ihr.


01. Februar 2013, 14:33h, Freitag 


Sie hat schöne, große, braune Augen. Die Frau. Und der Mund. Ich will gar nicht erst anfangen. Mein Therapeut wäre stolz auf mich. Ich habe unlängst als ich sie getroffen habe, sogar ein paar Minuten oberflächliches Geplänkel durchgehalten. Meine Blicke sind von den schwarzen Haaren, die an den Haarspitzen in leichte Locken überlaufen, zur Nase gewandert, blieben bei den Augen hängen, betrachtete kurz die vollen, weichen Lippen, den Nacken, den ich gerne küssen würde, nur um zu sehen, wie sie reagiert, dann wieder zu den Augen: offen, klar und neugierig.


03. Februar 2013, 03:15h, Sonntag 


Meine Exfrau wälzt sich unruhig neben mir im Bett und ich finde keinen Schlaf.
Ich vermisse deinen Geruch, hatte sie mir ins Ohr geflüstert, als sie wenige Stunden zuvor vor meiner Türe stand. Die Gewohnheit ist angenehm. Aber sie und ihr Rucksack voller Gewohnheiten gehören nicht mehr in mein Leben. Was macht sie gerade? Meine Nachbarin. Ich versuche sie mir vorzustellen. Vielleicht lehnt sie an der Wand und trinkt ein Glas guten Whiskey, während im Radio die Stones laufen? Was macht sie beruflich? Den Gedanken, ob sie einen Partner hat, verwerfe ich gleich wieder. Ich genieße es, wie sich ihr Körper verkrampft, wenn ich ihr zu nahe komme. Sie wortwörtlich die Luft anzuhalten scheint, wenn ich an ihr vorbeigreife, um meine Kaffeetasse in die Hand zu nehmen.


06. Februar 2013, 11:55h, Mittwoch 


Ich stelle mir alles vor was Gott verboten hat und noch viel mehr, borge mir sinnliche Fantasien der letzten, durchlebten Jahrzehnte aus, nur um diese dann gleich wieder zu verscharren, halte ihn in der rechten Hand und passe die Geschwindigkeit der Lust an, aber es will nicht so recht funktionieren. Eine halbe Stunde später habe ich mich eingestimmt und alles gehorcht. Als es dann an meiner Wohnungstüre sturmläutet, fällt er mir beinahe ab. Meine zweite, bedeutend ältere Nachbarin, die vermutlich ohnehin bereits mit einem Fuß im Grab steht, hält mir ein schier endlosen Vortrag darüber, dass meine Kinder wiedermal ihre Fahrräder nicht ordnungsgemäß abgestellt und somit den Zugang zu ihrem Kellerabteil blockieren. Und das Einzige, das heute noch eine beachtliche Härte erreichen wird, ist das Brot im Backofen, das ich vergessen habe.


11. Februar 2013, 07:08h, Montag 


Ich laufe. Seit fast einer Stunde laufe ich und versuche, mir all den Müll aus dem Kopf zu schütten, der mich seit Monaten zerfrisst. Das Leben ergibt keinen Sinn. Und ich habe mich akribisch auf die Suche gemacht. Jahrzehntelang. Leben an sich ist nicht schwer. Sich zum Atmen zu zwingen, Entscheidungen treffen, empfinden zu müssen, aufzustehen, jeden Tag um sich an den kleinen Funken zu klammern, das winzig dämmernde Stückchen helles Licht, hinter dem der eine, tiefergehende Sinn erkennbar sein wird, ist beklemmender.

Meine Therapiesitzungen habe ich abgebrochen, Schreiben und Laufen führe ich fort. Zwei kleine, große Dinge, die mich davon abhalten, nicht mehr zu wollen.


14. Februar 2013, 23:59h, Donnerstag


„Sehr mutig, junge Dame“, sage ich und lache, weil mir sonst nichts Besseres einfällt, nachdem ich verschlafen die Türe geöffnet habe. Sie trägt ein weißes, langes T-Shirt. Sonst nichts. Ein weißes, langes T-Shirt, die braunen, mittellangen Haare ruhen über ihrer rechten Schulter, die nackten Füße auf dem kalten Boden.
„Happy Birthday“, sagt sie und hält mir einen kleinen Kuchen auf einem weißen Pappteller entgegen.

Und ich brenne.

 

19. Februar 2013, 13:20h, Dienstag


Wie ein verdammter, italienischer Pizzabackofen.


21. Februar 2013, 16:05h, Donnerstag


Wir trinken Kaffee und lachen viel. Es ist schön, nicht das Gefühl haben zu müssen, eine Erwartung welcher Art auch immer erfüllen zu müssen.

Sie hat keinen Partner, finde ich heraus. Und verliebt sich nicht leicht. Sie könne niemanden spontan kennenlernen, sowas funktioniere bei ihr nicht. Selbst wenn, es würde ihr nichts bedeuten. Vertrauen gelingt nur durch Nähe. Und Nähe müsse man sich verdienen.
Dieser Jemand müsste schon lange vorher in meinem Kopf sein, bevor er auch nur annähernd irgendwo anders hinkommt, sagt sie und lächelt verlegen. Es liegt eine seltsame Wahrheit in diesen Worten, mit denen ich nicht gerechnet hatte.

Ich versuche herauszufinden, was hinter dieser Stirn vorgeht. Sie senkt den Kopf und beißt sich sanft auf die Unterlippe.

Und, frage ich, bin ich deinem Kopf?


02. März 2013, 03:15h, Samstag


Ich sehe sie. Und vergesse Stunden später wieder, wie sie ausgesehen hat. Verschwommene Konturen sind das einzige, was ich zu fassen kriege. Ein markantes Detail, das mich präzise erinnern lässt, ist ihre Stimme. Beruhigend und stimulierend zugleich.

Die Vorstellung, keine bestimmten Worte aus diesem verheißungsvollen Mund in mein Ohr geflüstert zu hören, lässt ein kleines Feuer aufflackern. In meinem Kopf.

Und seit mehr als zehn Jahren hat mich nichts Vergleichbares auf solch besondere Weise berührt.


08. März 2013, 18:55h, Freitag


Wie macht man sowas? Ein Date? Ich weiß es nicht mehr.

Ich habe Blumen gekauft. Vier verschiedene Sträuße. Weil ich mich nicht entscheiden konnte, was angebracht sein soll. Rosen, Tulpen, Strelitzien und einen von dem ich mir nicht gemerkt habe, was es ist. Die Vorstellung, drei Schritte zu gehen, an ihrer Türe zu klopfen und ihr Blumen vor s Gesicht zu halten, macht mich mehr als nervös.

Und letztendlich lasse ich die gesamte Auswahl der ungeduldigen Blumenhändlerin im Mistkübel verschwinden.


08. März 2013, 20:15h, Freitag


Die bizarre Zusammenstellung der Bücher auf dem Couchtisch (vermutlich wenige Minuten zuvor ordentlich drapiert, um meine Aufmerksamkeit zu erregen) lässt mich schmunzeln: Günther Grass liegt auf zwei Büchern gesammelter Werke von Salvador Dalì, neben denen wiederrum Dante geduldig ausharrt, nur um von Sandor Marái verdeckt zu werden. Die Luft ist angespannt. Ich sehe direkt von den Büchern zu ihr auf. Sie steht vor mir und wartet. Ihr Parfum betört mich. All die Mühe nur für mich.
Sie will gejagt werden, die junge Frau.

Nun, dann sei dem so.


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22. August 2013 4 22 /08 /August /2013 15:45

Das Schöne sieht die Vernunft an und denkt
Ich will fliegen

 

Die Vernunft sagt, bleib bei mir, bitte. Aber sie will weg. Weit weg und frei sein. Die Spiegelung auf der Wasseroberfläche zieht sie an. Sehr intensiv. Sie scheint sich zu verlieben, aber wie könnte sie, wenn sie doch frei sein möchte?

 

Sie möchte sich nicht binden an die Tiefgründigkeiten der Vernunft, aber sie ist fasziniert, möchte sie anfassen, die Vernunft, von ihr lernen und verstehen. Was es auf sich hat mit der Intensität, die sie anzieht und nicht loslässt.

 

Die Vernunft sagt, komm näher, ich will dich sehen.

 

Das Schöne sagt, du bist gefährlich, das kann ich spüren, lass mich frei sein und fliegen, nur für eine Weile.

 

Die Vernunft ist älter. Tausend Jahre alt. Aber es ist ebenso fasziniert und möchte das Schöne erleben.

 

Die Vernunft denkt, deine Augen sind älter, als du es bist, aber sagt nur "Hallo"

 

Das Schöne denkt, dein Mund ist interessanter, als alles, das ich jemals gesehen habe und "Hallo" antwortet es.

 

Ich möchte deinen Mund küssen, bis alles andere an Bedeutung verliert, bis ich nicht mehr fliegen möchte, denkt das Schöne und weicht zurück.

 

Die Zeit beobachtet die Zwei und ist amüsiert.

 

Die Vernunft ist mutig, obwohl sie dies nie sein darf und wagt sich vor:

 

"Bleib bei mir, flieg nicht. Fliegen ist mir zu riskant."

 

Das Schöne ist erstaunt und gibt sich für einen Moment hin, nur der Vorstellung, gar nicht fliegen zu müssen, um in den Wolken zu suchen, was sie auf dem Boden nicht gefunden hat.

 

Die Konsequenzen für das Schöne wären unvorstellbar hoch.

 

Die Zeit versucht die Distanz zu verringern zwischen der Vernunft und dem Schönen und schenkt ihnen die Vertrautheit.

 

Die Vertrautheit flüstert,

 

Weißt du noch, als du damals und seiner jede Nacht nur an sie gedacht hast?
Die Vernunft nickt.

 

Weißt du noch, wie es sich angefühlt hat, als dich die Vernunft berührt hat, mit seinen Augen, tief drinnen und du längst gewusst hast, dass du nicht mehr fliegen willst?

 

Das Schöne nickt und zittert, erzittert bei dem bloßen Gedanken an die Berührung der Augen, die es schließlich fliegen lassen wollten.

 

Wisst ihr noch, wie gut es sich anfühlt, gemeinsam gehen zu lernen, um eine Freiheit zu erreichen, die euch Flügel wachsen lassen würde?

 

Sie wussten es.

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